Zusammenfassung 2016

Von 17. bis 19.11.2016 luden Frankfurter Künstler*innen in die Heussenstamm Galerie zum gemeinschaftlichen Austausch zu fachspezifischen Themen von uns Künstler*innen und unseren Belangen ein. Ziel war es, durch die 3-tägige Veranstaltung einen partizipativen Austausch unter den Künstler*innen anzuregen und eine nachhaltige Kommunikation zu etablieren.

Die Verbindungen zu bestehenden Netzwerken sollen durch das nächste INCORPORE Forum & Ateliersalon 2017 weiter gepflegt und verstärkt werden. Wir bieten kein fertiges Programm, sondern eine Kollaborationsplattform, ein Forum, einen Salon, einen »Kongress in Flow«.

Die Mitwirkung im November 2016 übertraf unsere Erwartung!

Wir sagen vielen Dank an alle Beteiligten, mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen im August 2017.

 

FORUM 1 – Donnerstag 17.11.2016

ENTGRENZUNG + ERFAHRUNG + PARTIZIPATION = NETZWERK

Sehr erfreut waren wir über die zahlreiche Teilnahme bereits am Eröffnungsabend von INCORPORE.

Das hat unsere Vorstellungen übertroffen, und wir sind mit unseren Sitzgelegenheiten an den Rand der Kapazitäten gekommen. Auch Susanne Kujer, die Leiterin des Referats bildende Kunst des Kulturamtes Frankfurt betonte den großen Stellenwert eines solchen Veranstaltungsformat Forum und Ateliersalon für die Frankfurter Künstlerszene als Kommunikationsplan, aber auch als Außenwirkung für die Wahrnehmung in der Stadt Gesellschaft. Sie stellte – einen entsprechenden Response vorausgesetzt – die Fortführung als ein regelmäßiges Veranstaltungsformat in Aussicht.

Anhand der Gleichung Entgrenzung + Erfahrung + Partizipation = Netzwerk haben die Künstler*innen Vera Bourgeois von den Ateliers In der Fabrik Rödelheim, Cornelia F Ch Heier Atelier auf dem Kulturbunker und Harald Etzemüller von EULENGASSE verschiedene Interessensfelder für das Vernetzen von Künstlern vorbereitet und zur Diskussion gestellt.

Mit zahlreichen Rede- und Kommentarbeiträgen der anwesenden Künstler*innen konnten

Interessensfelder herausgearbeitet werden:

I – Die »Kollegenschaft« als Netzwerk für Meinungsaustausch, gemeinsames Arbeiten und Ausstellungsorganisation

II – Das »solidarische Netzwerk« zur Verfolgung gemeinsamer Ziele in der kulturpolitischen Arbeit

III – Das »professionelle Netzwerk« mit Akteuren im Kunstbetrieb (Agenten, Kuratoren, Galeristen etc.) zur Selbstvermarktung

Zu diesen drei Interessensfeldern für Netzwerken wurden verschiedenste

Aspekte diskutiert, u.a.:

• Notwendigkeit einer Bestandsaufnahme von Künstlern und Akteuren im Frankfurter Kunstbetrieb

• Solidarität und das Einsetzen für gemeinsame Ziele

• Das Herstellen von Nachbarschaften

• Der Salon als kulturpolitische Plattform

• Das Sichtbarmachen von Künstler*innen und ihrer Kunstproduktion

• Raum erobern: Ein »Atelierladen« im Stadtzentrum (Arbeitstitel)

• Produzentengalerien als Orte für Selbstorganisation und Selbstvermarktung

• Eine selbstorganisierte Messe »Independent Art Fair«

»Wer bin ich? Und was mache ich eigentlich?« Strukturierungsstrategien von Künstlern

Als ein Beispiel für Selbstvermarktung hat die Künstlerin Kerstin Lichtblau den Aufbau ihrer Selbstvermarktungsstrategien anschaulich erläutert: künstlerische Produktion (Malerei und Druckgrafik), die Siebdruckwerkstatt für Workshop-Angebote und als Produktionsstätte, der Lichtblau-Verlag zur Vermarktung künstlerischer Produktion.

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FORUM 2 – Freitag, 18.11. 2016

MARKT + KUNST ≠ KUNSTMARKT

»Wege zur künstlerischen Selbstvermarktung«

Die Referentin Ana Karaminova führte in die Kontroverse von ökonomischem Handeln im Kunstbetrieb und der einhergehenden Ambivalenz moralisch-ethischer Ansichten über den Kunstbetrieb ein. Sie verschaffte uns einen Überblick über Vermarktungswellen der Kunst in den vergangenen 30 Jahre. Anhand zweier Geschäfts- und Betriebsbeispielen (Christo + Koons) zeigte sie die entsprechenden Strategien beider Künstler auf (Werbe-, Marketing-, Finanzierungsstrategien). Dr. phil. Ana Karaminova betreibt mit einer Partnerin das Beratungsbüro für Künstler »art-objektive« im Atelierfrankurt.

Können wir diese Beispiele auf uns anwenden? Ja, wenn man sie auf die persönlichen Maßstäbe herunterbricht. In der Diskussion wurde die Notwendigkeit von ökonomischem Handeln als Künstler im Kunstbetrieb noch deutlicher. Stichwort aus einem Handwerks-Lehrbuch: »Kalkulieren müssen wir«.

»Im Hamsterrad« – Räume für Kunst

Die Besonderheit der Westateliers im Gallusviertel (ehemalige Ladengeschäfte mit Schaufensterfronten) ermöglichen es den Künstlern, ihre Räume und Arbeiten öffentlich zu halten – Herausforderung und Gelegenheit gleichzeitig, u.a. direkter Austausch mit den Anwohnern, Ausstellungskontinuität. Insbesondere beschreibt Michael Bloeck (»bepoet«) die Möglichkeit der Partizipation des Raumes: Er lädt regelmäßig Künstler zu Ausstellungen ein. Es kommt zu einem regen Austausch mit Kollegen und gemeinsamen Projekten.

Michael Bloeck beschreibt anhand der eigenen Umzugs-Chronologie die Wanderungsbewegung von Künstlern parallel zur Gentrifizierung der entsprechenden Viertel, die inzwischen einen Hype in Form einer

fiktiven »Kreativenbewegung« erlebt, die die Viertel teuer, luxuriös erscheinen lässt – und dabei ohne den klassischen Kreativen, den Künstlern auskommt. Überhaupt machen die Umsätze des Kunstmarkts nur 6.2% der gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen aus, immerhin knapp 150 Mio. €. Ca. 1/3 davon erwirtschaften die ca. 1.000 Unternehmen im Kunsthandel, daneben 9% in Museumsshops. Die KSK erfasst rund 4.100 selbstständige bildende Künstler in Hessen, die einen Jahres-Durchschnittsverdienst von lediglich ca. 12.500 € haben und damit das 3. Drittel dieses Kunstmarkts erwirtschaften.

Was bedeuten diese Zahlen für uns? Betriebswirtschaftliches Wissen fehlt oder wird nicht angewendet. Das sollte durch Schulungen, Weiterbildung und Erfahrungsaustausch vermittelt werden. Außerdem: Selbstorganisation von Ausstellungen, temporäre Nutzung von Räumen, Gemeinschaftswerkstätten oder Ateliers.

In diese Suppe lasse ich mir nicht spucken!

Beim gemeinsamen Essen wurden die Erkenntnisse verdaut.

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FORUM 3 – Samstag, 19.11. 2016

KULTUR + POLITIK + KÜNSTLER = EINMISCHUNG

»Kulturamt = Beratung«

Zu Beginn postulierte Susanne Kujer, Leiterin des Referats bildende Kunst im Kulturamt der Stadt Frankfurt ihr Credo: die Sichtbarmachung der ca. 1000 in Frankfurt lebenden und arbeitenden Künstler*innen, die Verstärkung ihrer öffentliche Wahrnehmung. Das Referat für bildende Kunst bietet Beratung und Begleitung rund um Ausstellungen und Projekte an. Auch in Fragen der Ateliersuche steht uns Künstlern*innen das Referat zur Seite.

Förderanfragen oder die entsprechenden Formulare dafür, wie auch die wichtigsten Merkmale einer Förderbewerbung können auf der Webseite des Kulturamtes (Kunst) eingesehen und heruntergeladen werden. Auch für die Förderanträge empfiehlt Frau Kujer durchaus bei ihr Rat zu suchen (den findet man dann auch wirklich).

Stichwort: KunstSommer 2017

Im Juni, Juli, August 2017 können sich die Frankfurter Künstler*innen im Mittelpunkt einer vom Kulturamt initiierten Veranstaltung sehen. Seit 01. Dezember 2016 wird ein Bewerbungsformular auf der Webseite des Kulturamtes für uns bereit gestellt. Was wir tun müssen? Ausstellungen, Projekte, Aktionen planen und die Formulare zum KunstSommer 2017 ausfüllen. Die eigene Kompetenz sollte genutzt werden.

Nicht die Flaggschiffe der Frankfurter Kultur- und Museumsszene stehen im Kunstsommer im Mittelpunkt, sondern die individuellen Künstler*innen, Künstlergruppen und -Initiativen. Das Kulturamt wird mit Werbung, einer App und ggf. Projektgeldern für die erfolgreiche Darstellung der Aktionen Sorge tragen. Die Diskussion zum Kunst Sommer 2017 ergab spontan Projektideen: z.B. eine offene Ausstellungshalle, ein Kommunikations-Ort, ein Künstler-Büro. Außerdem ein Vorschlag für die Schaffung eines Pools, einer zentrale Plattform für Ausschreibungen, Stipendien u.ä.

»Die Guten ins Töpfchen« Öffentliche Förderung, Sponsoring, Crowdfunding

Unter diesen Stichworten schilderte Harald Etzemüller Möglichkeiten der Finanzierung von Ausstellungen und Projekten im Kunstbetrieb. Tipps und Ratschläge von erfahrenen Kollegen*innen sollten im Austausch miteinander einen höheren Stellenwert erhalten. Zur öffentlichen Förderung wurde

bereits viel erläutert. Die Welt des Sponsorings hat sich in den vergangenen 20 Jahren grundlegend

gewandelt. Größere Firmen sponsern vorwiegend Projekte und Projektreihen mit hohem Publikums-

interesse, da das Publikum als Multiplikatoren betrachtet wird (z.B. documenta). KMUs, also mittel-

große Unternehmen aus der Region sind nur schwer zu einem Sponsoring zu bewegen. Ein Sponsoring

benötigt eine ausgezeichnete Projektpräsentation, die auch Fragen aus der Sicht des Sponsors beantwortet.

Ähnlich umfangreich ist zwar auch die Vorbereitung eines Crowdfundings, hier ist aber die Aussicht auf erfolgreiche Projektfinanzierung ungleich höher, da diese durch die Crowd, also einer großen eigenen Fangemeinde mit kleinen Beträgen erfolgt. Hier ist derjenige im Vorteil, der über entsprechende Verteiler verfügt und in sozialen Medien aktiv ist. Welche Formen der Finanzierung, zu welchen Projekten passen und wie viel Arbeitszeit und Arbeitsaufwand dahinter steckt, schilderte uns Etzemüller anhand einiger Beispiele. Der Aufwand ist üblicherweise sehr zeitintensiv, dennoch sollte man nicht davor zurückschrecken, sondern Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen. Einmal mehr wurde deutlich, wie wichtig es ist sich auszutauschen, gemeinsam Lösungen zu suchen, Partizipation und Erfahrungen zu teilen.

»Untersuchung von Phänomenen des Gegenwärtigen«:

Die freie Kunstwissenschaftlerin Cordula Froehlich M.A. berichtet in ihrem Vortrag Widersprüchliches aus den Themen Kunsttheorie, Kunstproduktion und Kunst-Marketing. Dabei schritt sie einen Quer-schnitt durch die Kunstentwicklung des letzten Jahrhunderts bis heute ab: Grundlegender Wandel des Kunsthandels, Affirmationismus (Zustimmung und Bejahung), Artworkers Coalitions mit 13 Forderungen an die Künstler – Die Wahrhaftigkeit des Künstlers im Spiegel seines Werkes versus der Wahrhaftigkeit des Kunstmarktes. Wie verhält sich Pluralität in der Kunst in Bezug zu Rahmenbedingungen wie Marketing, Budgetierung als Einschränkung des künstlerischen Prozesses? Hervorhebung der Eigenvermarktung: Erfolgreiche Eigenfinanzierung und Sponsoren-Akquise sind an gute Netzwerke und an die Bekanntheit geknüpft. Verortung der Künstler am Markt. Anschließend Gespräch über die Anforderungen des Marktes, denen man kaum gewachsen zu sein scheint. – Die Schöpfungskraft ist marktunabhängig. Der Erfolg eines Künstlers*in ist, wie in anderen Berufen auch, abhängig von einer marktspezifischen Zielorientierung (Standbeine), in der sie/er sich positionieren kann. Die Unabhängigkeit des Werkes bleibt das wichtigste Merkmal.

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FAZIT

Ausblick 2017

Trotz vieler Ausstellungsveranstaltungen Frankfurter Künstler*innen während dieser drei Tage kamen

jeweils 40-70 Interessierte zum Ateliersalon, die sich ins Forum aktiv eingebracht haben und damit eines unserer Ziele erreicht werden konnte. Die Vorträge, die als Impulsgeber für die Diskussionen angelegt waren, wurden als solche angenommen (Gespräche, Diskussionen, Erfahrungsaustausch). Das Themenspektrum bewegte sich von Strategien im Kunstbetrieb zur Finanzierung und zur

Selbstvermarktung über Beratungsangebote bis hin zu Vorschlägen von Ausstellungen und Aktionen

in der Stadt z. B. einer kommunalen Galerie, einer Kunstmesse – um als Künstler*in unabhängig vom kommerziellen Galeriebetrieb sichtbar zu sein oder zu werden.

Die Nachhaltigkeit des Projektes soll durch regelmäßige Treffen und Planungsgruppen, die im Laufe der 3 Abende entstanden sind, aufgebaut werden.

Im Jahr 2017 wird das Format fortgeführt – gerne in Kooperation mit weiteren Ateliergemeinschaften

und -häusern. Die vielen Anregungen, Wünsche und Ideen die sich an den drei Abenden gesammelt haben, weisen vehement auf die Notwendigkeit eines kontinuierlichen, fachspezifischen Austauschs hin.

SAVE THE DATE
INCORPORE 2017 > 24. – 26.08.2017